Lügen haben kurze Beine! Oder weite Schwingen?


Der heutige Post ist dem Thema Lügen gewidmet. Ein Thema, mit dem wir mit Sicherheit schon alle einmal konfrontiert wurden. Und wenn man Kinder hat, muss man sich in der Regel ab einem gewissen Alter häufiger mit diesem Thema auseinandersetzen und einen Weg finden damit umzugehen. Doch bevor man diesen Weg finden kann, muss man sich erst einmal klar machen, wie man selbst zu diesem Thema steht. In aller Regel bringen wir unseren Kindern bei, dass sie nicht lügen sollen, weil lügen etwas Schlechtes ist. Doch eigentlich ist die (kindliche) Lüge viel komplexer als einfach nur eine Verdrehung der Wahrheit. Und in manchen Fällen können wir uns sogar freuen, wenn unsere Kinder lügen…

Wer lügt braucht Fantasie – und das ist doch gut, oder?

Lügen haben kurze Beine! Diesen Spruch kennt wahrscheinlich jeder. Aber was soll das genau heißen? Das man mit Lügen nicht weit kommt?

Doch hat nicht einmal der berühmte Physiker Albert Einstein gesagt: “Logik bringt dich von A nach B. Aber Fantasie bringt dich überall hin!” Und was ist eine Lüge anderes als ein Produkt unserer Fantasie? Immerhin ist es eine ziemlich hohe kognitive Leistung sich eine andere Wirklichkeit als die wirkliche zu erdenken. Selbst wenn es sich um eine kleine Notlüge handelt. Das würde doch im Umkehrschluss heißen, dass Lügen einen beflügeln – und damit umso weiter bringen können!

Zeichnung 2

Das Zicklein fing bereits mit ca. 3 Jahren an Geschichten zu erfinden und die Realität in ein anderes Licht zu rücken. Dabei handelte es sich ausschließlich um harmlose “Märchen”, die sie uns bereits sehr glaubhaft auftischte. Wie etwa, dass sie im Wald einen Wolf gesehen hätte oder das gerade eine Sternschnuppe vorbeigesaust wäre und sie sich deshalb jetzt etwas wünschen dürfe. Allzu oft habe ich dabei mitbekommen, dass sie von Erwachsenen dafür ermahnt wurde, sie solle nicht so einen Quatsch erzählen und ehrlich sein. Aber sind Schwindeleien wirklich immer so schlimm, frag ich mich? Müssen wir uns immer an Logik und Tatsachen halten? Ich jedenfalls habe meine Tochter immer für Ihre ausschweifende Fantasie bewundert und bin gerne darauf eingestiegen. Bin mit ihr vor Wölfen geflüchtet und jagte Räuber, die unsere Gummibärchen gestohlen haben.

Täuschen und Lügen ganz natürlich?

Aus evolutionsbiologischer Sicht ist das sogar eine ganz wunderbare Eigenschaft, denn durch das Lügen können wir uns manchen Überlebensvorteil sichern.

“Die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall etwa berichtete 1988 von einem Schimpansen, der die von einem Forscher drapierte Banane links liegen ließ, um ein stärkeres Gruppenmitglied nicht darauf aufmerksam zu machen. Als der Konkurrent außer Sichtweite war, wandte sich der schlaue Kleine dann schnell der Banane zu. Andere Affenforscher haben ähnliche Geschichten auf Lager, auch solche, in denen der Belogene den Braten wittert, sich versteckt und den Gruppengenossen beobachtet, um ihm dann im entscheidenden Moment die Mahlzeit abzunehmen” (http://www.sueddeutsche.de/wissen/tierische-taeuschung-sex-luegen-und-mimikry-1.831204, <2016-05-19>)

Um jemanden so täuschen zu können, muss einem genau bewusst sein, dass andere Menschen eine andere Wahrnehmung haben, als man selbst und man muss sich über seinen eigenem Wissensvorsprung gegenüber dem anderen klar sein. Wer diese kognitive Leistung noch nicht abrufen kann, kann auch nicht auf diese Weise täuschen. Man könnte also vermuten, dass die Natur uns ganz bewusst mit solchen Eigenschaften ausgestattet hat und Lügen demnach in unsere Natur liegt.

Zeichnung 3

Kinder leben in einer anderen Realität als wir

Heute ist das Zicklein 5 Jahre und die Situation hat sich im Vergleich zu der Zeit, als sie noch 3 Jahre alt war ein wenig geändert. Nämlich dahingehend, dass ich mich oft selbst dabei erwische, den Worten meiner Tochter keinen Glauben mehr zu schenken. “Du weißt ganz genau, dass der böse Wolf nicht ins Haus kommen kann und wir auf Dich aufpassen! Du hast bloß keine Lust zu schlafen!” oder “Erzähl mir nicht, Ihr habt nur ganz wenig ferngesehen! Das waren doch bestimmt wieder 2 Filme!” Immer wieder entfleuchen mir solche Sätze, weil ich denke, das Zicklein besitzt bereits die kognitive Reife, um es besser zu wissen und das Lügen sein zu lassen. Das stimmt ja eigentlich auch, aber ich vergesse dabei allzu leicht, dass Ihre Wirklichkeit eine andere als meine ist. Sie weiß, dass der böse Wolf  nicht ins Haus kommen kann, trotzdem ist ihre Angst ganz real. Und sie meint es auch vollkommen ernst, wenn sie sagt, dass sie gerade erst angefangen hat mit ihrer Freundin zu spielen, obwohl sie schon den ganzen Tag zusammen sind. Für sie vergeht die Zeit einfach anders, als für mich. Sie nimmt die Realität eben anders wahr, aus ihrer individuellen und kindlichen Perspektive.

Lügen sind immer mit Emotionen verbunden

Genauso verhält es sich auch mit Flunkereien, die sie mir in anderen Situationen erzählt. Zum Beispiel, dass ihre Freundinnen sie nicht haben mitspielen lassen und gesagt hätten: “Du machst das Spiel nur kaputt, Du doofe Kuh!” Als ich nachhakte, ob die Mädels wirklich doofe Kuh zu ihr gesagt hätten, gab sie verschämt zurück, dass sie es nicht genauso gesagt hätten. Mir wurde aber klar, für sie war die Situation gleichbedeutend. Sie empfand das Verhalten der Mädchen als Beleidigung, als Ausgrenzung und in ihren Augen ist das das Gleiche, wie eine doofe Kuh zu sein. Sie wollte mich nicht absichtlich täuschen, sondern mir nur klarmachen, wie sie die Situation empfand.  Und ganz ehrlich? Wer von uns hat noch nie gelogen und eine Situation überspitzt dargestellt, um in seinem Gegenüber ähnliche Gefühle und damit emotionale Unterstützung auszulösen? Und wer hat nicht schon auf die Frage, wie geht es Dir?, mit “gut” geantwortet, obwohl es einem nicht so gut ging? Einfach, um den anderen nicht mit seinen Problemen zu belasten oder sich nicht mit seiner Situation auseinandersetzten zu müssen oder eben, um nicht zugeben zu müssen, dass es einem schlecht geht.

Lügen können auch ein Zeichen von Zuneigung sein

Erwachsenen kommen solche Lügen viel schneller über die Lippen als Kindern. Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass wir alle mehrmals am Tag flunkern. Dabei haben amerikanische Studien laut der Seite “Die Welt” (http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article106292192/Die-ganze-Wahrheit-ueber-das-Luegen.html, <2016-05-17>) herausgefunden, dass wir besonders in den Situationen schwindeln, in denen wir anderen gefallen oder sie beeindrucken wollen. Mir ist das schon sehr früh beim Zicklein aufgefallen. Nämlich in Situationen, in denen sie sich besonders für etwas schämte, dass sie verzapft hatte. Aktuell fällt mir da eine Szene mit ihrem kleinen Bruder ein. Sie und das Böckchen haben Morgens im Flur gespielt und rumgealbert. Ich war in der Küche. Plötzlich hörte ich das Böckchen schreien und als ich in den Flur kam, sah ich, dass sein Fingerchen in der Zwischentür zum Windfang eingeklemmt war. Ich habe sofort mit dem Zicklein geschimpft, die ganz schuldbewusst in einer Ecke stand, mir aber mit großen Augen versicherte, dass Böckchen habe die Tür ganz alleine zugeworfen. Als ich ihr dann erklärte, dass das überhaupt nicht sein kann, weil das Böckchen die Tür gar nicht so hätte zuschmeißen und dabei die rechte Hand dazwischen haben können, wurde sie wütend und beharrte noch mehr auf ihrer Aussage. Nachdem sich die Situation beruhigt hatte und ich die beiden in den Arm nahm, räumte sie dann doch ein, dass ihr ganz aus Versehen die Tür zugefallen sein könnte. Aber nur vielleicht und deswegen dürfe ich nicht böse auf sie sein. Und sie würde sich jetzt immer von ihrem Bruder fernhalten. Da wurde mir klar, dass sie nicht aus mangelndem Schuldbewusstsein gelogen hatte, sondern weil sie uns lieb hat und nicht wollte, dass wir böse auf sie sind beziehungsweise dass wir sie als schlechte Schwester sehen. Denn eine tolle große Schwester zu sein ist ihr sehr wichtig. Und das ihr das so wichtig ist, zeigt mir, dass sie uns sehr lieb haben muss und nur gelogen hat, weil sie sich wünschte, sie wäre es nicht gewesen.

Und das lässt mich Lügen in einem ganz anderen Licht sehen. Sicher sollten wir in unsere Gesellschaft möglichst ehrlich miteinander umgehen. Doch eine Lüge ist nicht immer etwas Schlechtes und man muss mit Kindern die lügen nicht immer gleich panisch zur Erziehungsberatung. Lügen haben manchmal durchaus ihre Daseinsberechtigung und können uns und unsere Kinder in eine andere Wirklichkeit fliegen. In eine Wirklichkeit, die nicht immer den logischen Gesetzten folgt, dafür aber voller Fantasie steckt.

Wie geht Ihr damit um, wenn Ihr Eure Kinder beim Lügen erwischt? Seit Ihr immer ganz straight oder lasst Ihr auch mal 5 gerade sein? In welchen Situationen lügen Eure Kinder?

Liebe Grüße

Eure Lotti

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3 Kommentare auf “Lügen haben kurze Beine! Oder weite Schwingen?

  1. Pingback:Mama, den Weihnachtsmann gibt es doch, oder?! Eine Glaubensfrage - Zicklein & Böckchen

  2. Cili am schreibt:

    Toller Beitrag! Mit Sichtweisen auf die manchmal intuitiv wie du reagiere/reagiert habe, mir aber gar nicht so bewusst war warum.. Gut jetzt mal so ne Erklärung zu haben ;o)

    • zickleinLotti am schreibt:

      Ich muss gestehen, ich reagiert selbst immer sehr unterschiedlich und intuitiv. Kommt auch auf die Tagesform und die Lüge an. Ich glaub aber in 99% der Fälle ist das Elternbauchgefühl das richtige. Aber wie Du schon sagst, manchmal ist es auch schön eine Erklärung für bestimmte Verhaltensweisen zu haben ?
      Ganz liebe Grüße und ein schönes Wochenende für Euch.

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