Geld für gute Schulnoten? Machen Belohnungssysteme wirklich Sinn?


Vor einiger Zeit wurde ich von einigen lieben Bloggerkolleginnen gefragt, wie ich zu dem Thema “Geld für gute Schulnoten” stehe, und ob ich darüber hier berichten würde. Gleichzeitig berichten auch sie aus ihrer Perspektive über das Thema (Die Links dazu findet Ihr am Ende des Beitrags).

Da ich so grundsätzlich eine bestimmte Einstellung zu Belohnungssystemen habe, und mit der bevorstehenden Einschulung des Zickleins nun auch das Thema Noten für uns wichtig wird, teile ich gerne meine Erfahrungen und meine persönliche Meinung dazu.

Belohnungssysteme – Segen oder Fluch?

Mit dem Instrument der Belohnungssysteme habe ich für meinen Teil schon immer gehadert!

Aus der Praxis als Sozialpädagogin sind mir natürlich verschiedene Formen der Belohnungssysteme bekannt. Allen voran das Punktesystem für erledigte Hausarbeiten, gutes Benehmen oder das Töpfchentraining.

Ich kenne einige Sozialpädagogen, Erzieher, Lehrer und Psychologen, die solche Systeme regelmäßig anwenden und empfehlen.

Belohnungssysteme haben ja auch einen großen Vorteil: Sie zeigen den Kindern und Eltern ganz plastisch Erfolge und Misserfolge auf und können verdeutlichen, an welchen Stellen es mit dem gewünschten Ergebnis noch hakt.

Sie machen erwünschtes und unerwünschtes Verhalten transparent, was z.B. Kindern helfen kann, die positives Feedback im Alltag nicht registrieren, oder Eltern, die das Gefühl haben ihr Kind verhalte sich den ganzen Tag nur negativ.

In einigen Situationen können sie Familien auch kurzeitig helfen, einen Weg aus dem alltäglichen Kampf um unerledigte Hausarbeiten oder anderer Schwierigkeiten zu finden und den Strudel aus Enttäuschung und Strafe aufzulösen.

Dennoch können Belohnungssysteme aus meiner Sicht nicht mehr leisten, als genau das: In festgefahrenen Situationen kurzweilig eine neue Perspektive schaffen, um daraus langfristig neue Handlungsstrategien abzuleiten.

Für den allgemeinen Erziehungsalltag sind sie meiner Meinung nicht geeignet, denn sie setzen nur oberflächlich an dem gezeigten Verhalten und nicht an der Ursache des Verhaltens an. Daher sollten sie auch wohl dosiert und nur in ausgewählten Bereichen eingesetzt werden, die der Familie besonders zu schaffen machen.

Denn sonst können sie sogar eine gegenteilige Wirkung entfalten und zum Fluch werden.

Sind sie erst einmal fester Bestandteil des Familienlebens, können sie nicht mehr so einfach abgeschafft werden, ohne Gefahr zu laufen, wieder an der Stelle zu landen, an der man sie einmal eingeführt hat!

Oder würdet Ihr noch weiter zur Arbeit gehen, wenn Ihr nicht mehr dafür bezahlt werdet?

Belohnungssysteme als künstliche Anerkennung

Für mich haben Belohnungssysteme aber auch noch einen anderen fahlen Beigeschmack.

Ich empfinde ein solches System ein bisschen wie eine Art Dressur – ähnlich wie bei Tieren, die ein Leckerlie erhalten, wenn sie ein neues Kunststück erlernt haben. Denn ein System ist immer etwas künstlich Erschaffenes, wovon ich in der Erziehung ja sowieso nicht besonders begeistert bin. Das Verhalten des Kindes wird von außen gesteuert und manipuliert. Die intrinsische Motivation (von innen heraus) wird ignoriert.

Und das ist ein weiterer Punkt, der mich daran stört: allein die außenstehende, belohnende Person entscheidet darüber, ob ein Verhalten gut oder schlecht ist und ob das Kind erfolgreich war.

Die Kinder verlieren dadurch den Blick für sich selbst und was ihnen wirklich guttut. Sie lernen ihre Leistungen daran zu messen, wie hoch die Anerkennung von außen dafür ist. Das eigene Belohnungssystem in Form eines guten Gefühls und eines gestärkten Selbstbewussteseins wird zweitrangig oder verliert an Bedeutung. Im schlimmsten Fall stirbt die intrinsische Motivation etwas zu tun komplett und es wird allein der Belohnung wegen etwas getan.

Ganz schlimm finde ich den Trend, solche Belohnungssysteme in Form von Apps als Anreiz für körperliche Betätigungen bei Kindern einzusetzen! Tatsächlich gibt es mittlerweile Chips, die in der Kleidung die Bewegungsintensität des Kindes am Tag messen. Anhand der App können die Eltern und Kinder dann kontrollieren, wie viel sich das Kind am Tag bewegt hat. Hat es dann ein bestimmtes Level erreicht, bekommt es eine Belohnung, wie einen Tierparkausflug oder (diese Antwort kam tatsächlich von einer Familie, als dieses Produkt vorgestellt wurde, das eigentlich für mehr Gesundheit sorgen soll) einen Hamburger!

Mal abgesehen davon, dass diese Chips locker manipuliert werden können, frage ich mich, ob wirklich jemand glaubt, dass Kinder dadurch lernen wie schön und gesund es ist sich zu bewegen?! Wenn Kinder sich bisher nicht viel bewegt haben, dann werden sie es wegen diesem Chip bestenfalls 3 Monate tun, ehe sich der Reiz des Neuen gelegt hat. Ich stelle mir nur vor, wie alle Kinder am 29. eines jeden Monats ihre Jacke mit dem Chip darin durch die Wohnung schleudern, nur um noch schnell die letzten Bewegungspunkte für die Belohnung zu erhalten!

Und was ist, wenn sie das gesteckte Ziel nicht erreichen? Dann fällt der geplante Tierparkbesuch ins Wasser und die Familie bleibt “zur Strafe” Zuhause vor dem Fernseher sitzen? Mal ganz überspitzt.

Belohnung und Strafe – Ein schmaler Grad

Denn genau das wird aus einem Belohnungssystem, wenn die ersehnte Belohnung nicht eintrifft: eine Bestrafung. Eine Enttäuschung. Man konnte den Ansprüchen nicht genügen und erhält die Quittung dafür. Was den meisten Belohnungssystemen nämlich fehlt, ist die Möglichkeit zur Differenzierung zwischen “alles geben und sich angestrengt zu haben” und der tatsächlichen Erreichung eines Ziels.

Hier ist nicht “der Weg das Ziel”, sondern ausschließlich das Ziel. Und wer das Ziel nicht erreicht, auch wenn er sich wirklich Mühe gegeben hat, schaut in die Röhre.

Oder, wie der Familientherapeut Jesper Juul sagt, Belohnung ist die postmoderne Variante von Strafe!

Geld für gute Schulnoten?

In der 9. und 10. Klasse hatte ich 1000 Dinge im Kopf, die mir viel wichtiger waren, als etwas für die Schule zu tun. Vor allem für die Fächer, die mir keinen Spaß machten, tat ich nur das Allernötigste, um einer “Strafe”, wie einer Moralpredigt von meinen Eltern oder einer 6 auf dem Zeugnis zu entgehen.

Als ich mit der Erzieherausbildung begann, viel mir das Lernen plötzlich leicht, denn der Unterrichtsstoff interessierte mich. Schlagartig hatte ich viel bessere Noten, ohne das Gefühl gehabt zu haben, dafür schuften zu müssen.

Anders war es dann, als ich meinen höheren Schulabschluss nachholte. Ich wollte unbedingt gute Noten, um einen guten Studienplatz zu erhalten. Meine intrinsische Motivation mich anzustrengen war also hoch! Trotzdem fiel es mir schwer in z.B. Englisch gute Leistungen zu erbringen, während ich in Pädagogik und Biologie ohne viel Aufwand immer sehr gute Noten erhielt.

Diese Fächer fielen mir leicht. In Englisch nahm ich zusätzlich Nachhilfe und büffelte Tage vor den Klausuren wie eine Verrückte. Und trotzdem reichte es in den schriftlichen Prüfungen bestenfalls nur für eine 3 (was für meine Verhältnisse “sehr gut” war)!

Aber ich hatte Glück – Ich hatte den weltbesten Englischlehrer, den man sich vorstellen kann. Denn er sah meine Anstrengungen ganz genau und honorierte dies stets mit viel Anerkennung und guten Noten in der Mitarbeit. Während andere Mitschüler, die immer Einsen schrieben, in der Mitarbeit nur Dreien bekamen, da sie nie mehr machten, als sie ohnehin schon konnten.

Was ich damit sagen will: Erfolge und Misserfolge sind von verschiedenen Faktoren abhängig, die durch Belohnungs- und Benotungssysteme meist nicht berücksichtigt werden, und immer individuell betrachtet werden müssen. Für mich war eine 3 in Englisch immer ein riesen Erfolg, im Gegensatz zu den Einsen, die ich in Pädagogik bekam, die bereits selbstverständlich waren.

Am Ende nützen Belohnungen in solchen Kontexten also meist nicht viel, denn diejenigen, die eh schon gute Noten erhalten, würden durch eine zusätzliche Belohnung auch nicht mehr lernen, während diejenigen, die es trotz Bemühungen nicht schaffen die Erwartungen zu erfüllen, dadurch noch zusätzlich demotiviert werden.

Und genau aus diesem Grund wird es für meine Tochter auch keine systematische Belohnung in Form von Geldgeschenken für Schulnoten geben!

Anerkennung als Alternative zu Lob und Strafe

Im Grunde möchte ich Belohnungssysteme aber nicht per se verteufeln. Wie bereits eingangs erwähnt, können sie in bestimmten (erzieherischen) Situationen ein Weg sein ein gewünschtes Erziehungsziel zu erreichen.

Allerdings sollten sie aus den genannten Gründen mit Bedacht und sparsam eingesetzt werden. Auch hier gibt es unterschiedliche Modelle von Belohnungssystemen, die ich in diesem Rahmen nicht alle aufzählen möchte.

Aber ein schönes und gelungenes Beispiel für ein Belohnungssystem habe ich hier gefunden: KLICK!  Indem eine Belohnung für zusätzliche Leistungen im Lesen während der Ferien eingesetzt wurde und das Kind am Ende die Lesezeit mit seinem Vater so sehr genoss, dass es freiwillig weiterlas.

Dieses Beispiel zeigt auch, dass eine respektvolle und innige Beziehung zu den Eltern oder Erziehern als Vorbilder eine viel höhere und langwierigere Motivation ist diese Beziehung durch das eigene Tun zu erhalten und ihnen nachzueifern, als eine materielle Belohnung mit geringer Halbwertzeit. Und es bedurfte in diesem Fall nicht einmal eines ausdrücklichen Lobs, denn das gute Gefühl des Kindes und der Stolz auf das, was es geschafft hatte, waren ausreichend.

Genau das wünsche ich mir für das Zicklein auch: dass sie mit Freude lernt, dass sie neugierig bleibt und gemeinsam mit uns einen Weg findet die Anforderungen der Schule zu meistern.

Und natürlich werden wir uns mit ihr freuen, wenn sie eine gute Note als Anerkennung für ihren Fleiß erhält. Und bestimmt werden wir den Abschluss eines jeden Schuljahres mit ihr feiern, sie beglückwünschen und garantiert wird es hier und da auch mal eine Belohnung durch die Erfüllung eines Wunsches geben. Aber nicht systematisch oder als Selbstverständlichkeit! Und nicht allein für gute Noten, sondern, wenn sie sich wirklich dafür angestrengt hat oder vielleicht dafür ein Opfer bringen musste.

Wir werden es auf uns zukommen lassen. Die bevorstehende Einschulung und Schulzeit ist für uns als Familie Neuland und wir können jetzt nicht schon alles planen und festlegen.

Mein größter Wunsch ist es, dass das Zicklein ein glückliches Schulkind wird. Das sie an den neuen Herausforderungen wächst, eine verständnisvolle Lehrerin und nette MitschülerInnen hat. Alles andere wird sich zeigen und ist eigentlich nebensächlich. Aus meinen eigenen Erfahrungen heraus weiß ich, dass schlechte Noten nicht das Ende der Welt bedeuten.

Meinen Realschulabschluss habe ich mit 3,2 gemacht, mein Studium habe ich mit “sehr gut” abgeschlossen. Wer weiß schon in der Grundschule was die Zukunft bringt?! Natürlich wünsche ich mir für das Zicklein einen möglichst leichten Weg von Anfang an. Aber egal, wie der aussehen mag, ich möchte sie mit Anerkennung und Wertschätzung dabei begleiten.

Wie steht Ihr dazu? Gibt es bei Euch Geld für gute Noten oder andere Belohnungssysteme, und wie funktionieren sie? Oder seid Ihr dem ggü. ähnlich skeptisch wie ich?

Hier erfahrt Ihr außerdem, wie Sylvie von Moms favorites and more darüber denkt: KLICK!

Was Natalia von Simplylovelychaos davon hält: KLICK!

Und Berenice von Phinabelle dazu zu sagen hat: KLICK!

Liebe Grüße

Eure Lotti

Mit diesem Artikel bewerbe ich mich für den Scoyo Blog Award 2018 mit dem Thema “Nachhilfe & Förderung: Was hilft Kindern wirklich?”.

 

 

 

 

 

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5 Kommentare auf “Geld für gute Schulnoten? Machen Belohnungssysteme wirklich Sinn?

  1. Melanie am schreibt:

    Ich persönlich halte gar nichts von Belohnungs-Systemen. Genau das passiert dann: man bittet sein Kind um Mithilfe und es kommt prompt die Frage, was man denn dafür bekommen würde. Schrecklich.

    Ich bin ehrlich: ich habe ein tolles Mädchen (8), aber sie hat oft keine Lust, etwas mitzuhelfen. Dinge wie Tisch decken und abräumen, das Katzenklo sauber machen, saubere Wäsche verräumen (also so richtig krasse, harte Arbeit *lach*)…
    Mittlerweile versteht sie es, wenn ich erzähle, wie ICH unsere Familie sehe: als Team. Jeder von uns kann etwas besonders gut und jeder hat besonders ungeliebt Aufgaben. Ich habe keine Lust, die Wäsche zu bügeln, Papa hat keine Lust zum Rasen mähen – trotzdem muss es gemacht werden, damit unser Team funktioniert und wir uns alle in unserem Zuhause wohl fühlen.
    Und DAS hat tatsächlich motiviert, denn ein gemütliches Familien-Nest ist uns allen dreien sehr wichtig.

    Klar gibt es auch tage, an denen ihr das herzlich egal ist, aber hey – sie ist noch ein Kind.

    Geld für Schulnoten gab es noch nie, weil sie die Montessori-Schule besucht. Wir haben dorthin gewechselt, weil eben dort der Antrieb von innen heraus gefördert wird. Das klassische Schulsystem ist doch auch eher “Dressur” 😉

    • Liebe Melanie,

      mit der Schule hast Du absolut recht. Das Benotungssystem ist ja auch ein Belohnungssystem.

      Den Zugang, den Du zu Deiner Tochter gefunden hast, was das Helfen angeht, finde ich klasse! Wir versuchen auch immer dem Zicklein zu erklären, wie wir uns fühlen, wenn wir alles alleine machen und ihr und ihrem Bruder alles hinter räumen müssen. Und manchmal wirkt es, und manchmal nicht 😉

      Vielen Dank für´s Teilen Deiner Erfahrungen!

      Liebe Grüße
      Lotti

  2. Cili am schreibt:

    Ach. . Das kenn ich doch.. Ich war tatsächlich selbst ein Kind, was mit diesem System belohnt und auch bestraft wurde.. (Musste ich bei einer Zensur schlechter als 3 Geld wieder abgeben..) und hat es mich motiviert auch nur eine Zusatzaufgabe zu machen? Ganz im Gegenteil..

    Ich kann deinen Standpunkt gut verstehen. Und vor meiner Ausbildung zur Erzieherin hätte ich es vielleicht sogar einfach so übernommen, ohne darüber wirklich nachzudenken – weil man es halt so “gelernt” hat. Jetzt denke ich definitiv anders darüber und bin genau deiner Meinung.

    • Hi Süße,

      das finde ich super spannend! Ich habe mich schon mit einigen über dieses Thema unterhalten und alle, die selbst als Kinder so belohnt (oder auch bestraft) wurden, lehnen Geld für gute Noten heute bei ihren Kindern ab oder wollen es nicht einführen.

      Wird Eure Große denn vl. ab der Einschulung Taschengeld bekommen? Dieses Thema finde ich auch spannend.

      Liebe Grüße
      Lotti

  3. Pingback:Geld für gute Noten ? Warum wir anders belohnen - Phinabelle

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